11.04.2013 07:00:34

Mary Roos: "Denk was du willst", VÖ: 12.04.2013

Mary Roos wollte Lieder dieser Art schon lange singen. Lieder, die widerspiegeln, was sie selbst so schätzt: Chansons, Brasilianisches, jazzig Swingendes. Mary Roos, die Schlagersängerin. Wer sie nicht so genau kennt, ihre Klasse, ihre qualitativen Maßstäbe, wer gar glaubt, da singt halt eine im Gaudigewölbe der ästhetischen Einfachheit, im Schlager, dem ist auch entgangen, dass es in jedem Genre des Populären die Könner und die Möchtekönner gibt. Mary Roos ist eine Könnerin, steht seit Dekaden für Qualität, für die Sicherheit der Gesten, des Gesangs, der Phrasierung, des Timbres. Nun veröffentlicht sie ein Album namens „Denk was du willst“, das genau das eindrucksvoll unter Beweis stellt. Unter Kollegen und Branchenkennern, gleich welcher Generation, gilt Mary Roos schlicht als eine Sängerin, die „kann was sie kann“: singen. Sie hat, um es mit den Worten von Fotograf Jim Rakete zu sagen, jene gewisse Intimität, „that intimate truth“ - eine Art Fragilität, die ihre ausdrucksvolle Stimme reizvoll unterlegt.
 
Mary Roos, Jahrgang 1949, geboren in Bingen am Rhein, Tochter einer Hoteliersfamilie, war von Kindesbeinen an im Gesangsgewerbe tätig. In den sechziger Jahren eroberte sie das Schlagergeschäft und wurde Stammgast im deutschen Fernsehen. Mal schrieb man ihr Handelsübliches auf den Leib, mal interpretierte sie deutsche Fassungen von Supremes-Liedern. Sie gab die Aparte, die nichtblonde Deutsche, die es eine Zeit lang schwer hatte, gegen die Welle der Skandinavierinnen im Showgeschäft zu bestehen, gegen Kolleginnen wie Gitte Haenning oder Nina Lizell. Mary Roos war immer eine der Talentiertesten, eine Frau, die früh an ihre Stimme glaubte und tatsächlich immer interpretieren konnte was sie wollte – stets klang es besonders und eigen.  
 
Mit Giorgio Moroder, vor seiner Disco-Ära ein fleißiger Schlagerproduzent und -komponist, gelang ihr in den frühen Siebzigern der große Durchbruch mit Titeln wie „Arizona Man“ und „Am Anfang war die Liebe“. Später folgten der Grand-Prix-Eurovisions-Erfolg „Nur die Liebe lässt uns leben“, „Eine Liebe ist wie ein Lied“ oder die deutsche Version von Claude Francois‘ bzw. Frank Sinatras „My Way“, unter dem deutschen Titel „So leb‘ dein Leben“. Nicht zu vergessen auch ein Titel der Mamas & The Papas, „Sing nochmal dieses Lied“ - Mary Roos hatte ein so internationales Repertoire wie keine andere in ihrem Feld.
 
In der Branche war man verblüfft, weil Mary Roos die Originale beinahe vergessen ließ. Was sie vom Gros ihrer Kollegen unterschied, war die unbekümmerte Courage, mit der sie sich an internationales Material wagte. Bald raunte man sich zu, dass da in Deutschland jemand virtuos singen könne und sich wohl bald auf den Weg mache, auch über Landesgrenzen hinweg zu reüssieren. Marc Gordon, Manager der US-Band The 5th Dimension, ließ verlauten: „Die würde auch in Amerika groß rauskommen.“ Götz Alsmann sprach vor einigen Jahren zu recht von Mary Roos als der „deutschen Dionne Warwick“, verglich sie so mit einer Sängerin, die in einmaliger Art starke Kompositionen erkannte und punktgenau umsetzte, auf geheimnisvolle Art stets einen Ton kühl-melancholischer Eleganz zu treffen wusste.  
 
In den Siebziger Jahren ermutigte Mary Roos‘ damaliger Ehemann Pierre Scardin sie, den Blick über den deutschen Tellerrand hinaus zu wagen. Kontakte in seine französische Heimat waren es dann auch, die Mary Roos den Sprung über den Rhein ermöglichten. Während Kolleginnen aus Frankreich, wie France Gall oder Francoise Hardy, von ihren Schallplattenfirmen nach Deutschland exportiert wurden, um sich musikalisch den Party- und Sentimentalitätsbedürfnissen des hiesigen Publikums anzupassen, nahm Mary Roos die umgekehrte Passage: Frankreich sollte der Ausgangspunkt ihrer neuen, anspruchsvolleren Lieder werden. In Frankreich veröffentlichte sie ein musikalisch ausgefeiltes Album und mehrere Singles auf dem berühmten Columbia-Label, sang in - wie ihr Einheimische versicherten - perfektem Französisch, trat im Pariser Olympia und auf der Musicalbühne auf und durfte sogar mit dem legendären Michel Legrand zusammenarbeiten.  
 
Ganz nach Frankreich übersiedeln mochte Mary Roos damals allerdings nicht, was für eine endgültige Etablierung ihrer dortigen Karriere wohl aber nötig gewesen wäre. Stattdessen führte sie, produktiv wie wenig andere, ihre deutsche Schlagerkarriere weiter. Was sie allerdings aus Paris mitbrachte, war das Bewusstsein, sich nicht auf ewige Zeiten mit deutschsprachigen Schlagern bescheiden zu müssen.  
 
Eine neues, jüngeres deutsches Publikum entdeckte Mary Roos‘ französische Lieder erstmals vor einigen Jahren, als sie unter dem Titel „Amour toujours - The French Song Collection 1972-1975“ auf CD wiederveröffentlicht und begeistert aufgenommen wurden. Mary Roos erinnerte diese Reaktion einmal mehr an ihren eigenen musikalischen Anspruch. In Talkshows und einem langen Gespräch mit DIE ZEIT bekannte sie den Wunsch, irgendwann einmal ein Album herauszubringen, das ihr Können jenseits des Gewohnten festhalten würde.
 
Nun führte sie der Zufall, unterstützt durch ihr neues Plattenlabel, mit Roberto Di Gioia zusammen, Produzent, Arrangeur und Instrumentalist aller Lieder auf „Denk was du willst“. Der Deutsch-Italiener, Jahrgang 1965, ist eine einmalige Figur der aktuellen deutschen Musikszene. Er ist Jazzmusiker, arbeitet u.a. mit Udo Lindenberg, Wigald Boning und Till Brönner, ist Mastermind des Elektro-Pop-Projektes Marsmobil und ganz nebenbei hochkarätiger Pop-Produzent für Max Herre, Joy Denalane und andere.  
 
Di Gioia über die Zusammenarbeit mit Mary Roos: „Natürlich kannte ich sie. Mit sieben Jahren saß ich oft bei Oma und Opa - und wir guckten, wenn ich es richtig erinnere, die ZDF-Hitparade oder sogar Disco mit Ilja Richter. Und klar sah man da auch Mary ganz oft. Ich mochte - damals schon - ihre aparte Art. Sie unterschied sich immer ein wenig von den anderen Sängerinnen. Irgendwie wirkte sie melancholischer, sensibler. Und natürlich war ich ein wenig verliebt in sie!“
 
Und über ihre Stimme: „Mary hat eine seltsame, irritierend schöne Stimme. Sie kann so stark sein, so fragil wirken, so unglaublich fein, ja, jugendhaft. Sie klingt, als sei sie immer noch auf der Suche - und im nächsten Moment wieder wissend und erwachsen. Aber niemals routiniert oder banal. Sie hat das Timbre einer jungen Frau. Wenn man die Augen schließt, kann man das Alter der Frau gar nicht einschätzen, die da so wunderschön singt.“
 
Über die Zusammenarbeit im Studio: „Es war von Anfang an wirklich sehr fruchtbar, vollkommen easy, sehr respektvoll. Es ist für einen Produzenten ein Traum, mit jemandem wie ihr zu arbeiten. Als ich zu Beginn der Produktion mit meinem signifikanten ‚Serge Gainsbourg/Bert-Kaempfert-Bass‘ (ganz klassisch mit Plektrum gespielt und mit Federhall) ankam, rief sie mir euphorisiert zu: ‚Das brauche ich! Das will ich haben! So muß es sein!‘ Sie hat immer auf den Bass gehört. Und das hat es für mich eben auch sehr leicht gemacht.“

Über die Arrangements: „Mary verstand sofort meine Ideen. Immer auf den Punkt kommen, nicht geschwätzig sein, keinen Selbstzweck darstellen, sondern versuchen, das Wesen und die Seele der Songs einzufangen. Beide hatten wir den unbedingten Drang, möglichst die ersten Stimmungen in den Takes so einzufangen, dass die Seele unserer Kooperation und der Lieder erhalten blieb.“

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Mary Roos ist nicht minder glücklich über die Albumproduktion. Sie erzählt über das Album: „Ich bin überglücklich mit der Produktion. Die meisten meiner Alben waren ja auch, sagen wir mal, ‚Qualitätsproduktionen‘. Gute und bekannte Autoren, Produzenten und Arrangeure waren dabei, aber wenn ich ins Studio kam, war alles schon fertig. Ich musste nur noch ‚draufsingen‘.  Durch die andere Produktionsweise von Roberto, der fast alle Instrumente selbst eingespielt hat, konnte jederzeit an Arrangement, Melodieführung, Timing getüftelt werden. Ich darf das einfach mal sagen: Die Möglichkeiten zur Mitgestaltung habe ich selbstverständlich genutzt - so eine Chance gibt es in meinem Metier nicht so oft. Mein Produzent ist im Herzen ein ‚Jazzer‘, und es ist kein Geheimnis, dass er auch eine Vorliebe für klassische ‚Black Music‘ und ‚Soul‘ hat. Ich würde sagen, dem entsprechend waren seine Vorschläge „weich und flexibel“. Es war nicht so strikt durchgeplant wie die Arrangements, mit denen ich sonst zu tun habe.“

An der Produktion, die Mary Roos mit Fug und Recht „mein Album“ nennt, hat auch eine Crème de la crème verschiedener Autoren mitgewirkt. Jovanka von Wilsdorf, einst Teil des Elektropopduos „Quarks“, hat das Gros der einfühlsamen Texte geschrieben. Texte, die aus der Perspektive einer erwachsenen Frau auf ihre Welt, die innere wie äußere, schauen. Komponiert und getextet haben neben Roberto Di Gioia aber auch Sven Bünger (Ex-Soulounge), Martin Lingnau, Justin Balk, Marco Schmedjev, Gregory Meyle, Till Brönner und Detlev Gödicke. Eingewoben wurden auch je ein französischer wie brasilianischer Klassiker, Jacques Brels „Ne me quitte pas“ und Caetano Velosos „O Leãozinho“.

Das neue Mary Roos-Album soll keine Studioproduktion sein, mit der es nun sein Bewenden hat: Die Künstlerin will mit dem Album auf Tour gehen. Sie hat im Laufe ihrer Karriere eine Fülle von Chartplatzierungen geschafft, war international tätig und weiß, dass Kunst von Können kommt. Aber jetzt, da sie für die allermeisten der im heutigen Schlagergeschäft tätigen Künstler eine Art Schutzpatronin sein könnte, will sie sich noch mal ganz anders zeigen. Live im Alleingang, nicht im schlagerüblichen Tross von Kollegen und Kolleginnen, abgeschirmt durch eine Moderation: „Bis auf meinen legendären Club-Auftritt in Hamburg mit dem wunderbaren Bernd Begemann war ich als Sängerin immer nur in großen Hallen und TV-Studios unterwegs.“  Im Mai soll nun ihre Tour mit dem neuen Albumprogramm steigen, dann geht es durch Clubs und kleinere Hallen die man sonst eher mehr mit Pop- und Indiekünstlern verbindet: „Darauf freue ich mich, vor allen Dingen auf Abende mit einer Band, bei der einer auf den anderen hört. Musik, die atmet. Da kann ich als Sängerin mal genauso relaxed sein wie die Leute im Publikum.“

Quelle: Universal Music
 

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